Mit sich herumtragen
Zwei Mönche waren auf der Wanderschaft, bei der sie eines Tages an einen Fluss kamen.
Dort stand eine junge Frau in wunderschönen Kleidern. Offensichtlich wollte sie auf die andere Seite des Flusses, doch da das Wasser sehr tief war, konnte sie ihn nicht durchqueren, ohne dass ihre Kleider in Mitleidenschaft gezogen worden wären.
Ohne auch nur zu zögern ging einer der Mönche auf die Frau zu, hob sie auf seine Schultern und watete mit ihr durch das Wasser, um sie auf der anderen Flussseite trocken abzusetzen.
Inzwischen war der andere Mönch auch durch den Fluss gewatet und so setzten die beiden ihre Wanderung fort.
Nach etwa einer Stunde begann der eine Mönch den anderen zu kritisieren: ”Du weißt schon, dass das, was du getan hast, nicht richtig war, oder? Du weißt, wir sollen den nahen Kontakt mit Frauen meiden. Warum hast du gegen diese Regel verstoßen?”
Der Mönch, der die Frau durch den Fluss getragen hatte, hörte sich die Vorwürfe ruhig an. Dann erwiderte er:
“Ich habe die Frau vor einer Stunde am Fluss abgesetzt – warum trägst du sie immer noch mit dir herum?”
(frei nacherzählt, The Wisdom of Zen Masters)
Bild: Karin M.