
Klag nicht überVergangenes
Jeder ist so unglücklich, wie er zu sein glaubt.
Doch vermeiden wir, uns über vergangene Schmerzen zu beklagen, und uns zu sagen: „Niemandem ist je etwas Schlimmeres geschehen. Welches Leid, welches Weh habe ich erduldet! Keiner hatte erwartet, dass ich mich davon erhole. Wie oft haben mich die Ärzte abgeschrieben! Nicht einmal unter Folter hat man so viel zu leiden.“
Auch wenn das stimmen mag, es ist nun vorbei: Wem nützt es, die erlittenen Qualen wieder hervorzurufen und heute unglücklich zu sein, denn du warst es ja schon in der Vergangenheit. Viele bauschen ihre Schmerzen auf und belügen sich selber! Es ist doch erfreulich, dass jenes Leid, das schwer zu ertragen war, nun vorbei ist: Wenn der Schmerz endet, ist es ganz natürlich, das zu genießen.
Zwei Dinge müssen also weggelassen werden: Die Angst vor neuem Leid und die Erinnerung an das alte Leid. Das eine betrifft mich jetzt nicht, das andere betrifft mich nicht mehr.
Lucius Anneus Seneca (ca. 1 n. Chr. bis 65 n. Chr.)
Quelle: Diapason 2.0
Bild: _Alicja_