Echo deines Lebens

Es war einmal ein Junge, der in einem kleinen Ort in den Bergen lebte. Jeden Morgen führte er seine Ziegenherde auf die Weide.

Eines Morgens, als er auf einem neuen Pfad durch ein enges Tal kam, kam es ihm vor, als ob er Schritte hörte und ein Meckern von anderen Tieren. Der Junge dachte, dass ein Viehhirte wie er in der Nähe sei und freute sich: Schon lange hätte er gerne einen Freund gehabt. Er formte mit den Händen einen Trichter vor seinem Mund und rief: „Wer ist dort?“ Da hörte er eine Stimme, die ihm antwortete: „Wer ist dort? Wer ist dort? Wer ist dort?“ Die Rufe kamen aus verschiedenen Richtungen. Waren denn gleich mehrere Hirten auf dem Berg?

Er rief also noch lauter: „Zeigt euch!“ Die Stimmen antworteten: „Zeigt euch! Zeigt euch! Zeigt euch!“ Aber niemand erschien. Der Junge rief wieder: „Warum kommt ihr nicht heraus?“ Aus allen Richtungen erklangen die Stimmen: „Nicht heraus! Nicht heraus!“

Der junge Hirte nahm an, dass sie ihn zum Narren halten wollten und war ganz betrübt. In wütendem Ton schrie er: „Wer sich so verhält ist einfach blöd!“ Auf dem ganzen Berg hallte es: „Blöd! Blöd! Blöd!“

Nun kehrte der arme Hirte eiligst zurück in sein Dorf. Er traute sich nicht mehr auf den Berg. Wer weiß, ob ihm diese Hirten nicht eine Falle stellen, um ihm etwas anzutun!

Am nächsten Tag fragte ihn seine Mutter: „Was ist los mit dir, mein Sohn? Warum willst du die Ziegen nicht mehr auf die Weide führen?“ Der Junge erzählte ihr alles. Die Mutter merkte gleich, dass niemand auf dem Berg war, sondern das Echo die Rufe des Jungen zurückgeworfen hatte, die von ihm selber stammten.

„Mach dir nichts draus, mein Junge“, sagte sie zu ihm. „Diese Hirten wollen dir nichts antun. Sie haben nur Angst vor dir und möchten deine Freunde sein. Wenn du morgen wieder zwischen den Bergen stehst, wünschst du ihnen einen guten Tag und fügst einige freundliche Sätze hinzu. Ich bin sicher, dass sie darauf eingehen.“

Am nächsten Tag, als er die Felsschlucht zwischen den Bergwänden erreichte, atmete der Junge tief ein und rief: „Guten Tag!“ Das Echo antwortete: „Guten Tag! Guten Tag! Guten Tag!“ Beruhigt rief der Junge nochmals: „Ich will euer Freund sein!“ Das Echo prallte zwischen den Felsen zurück: „Freund! Freund! Freund!“

Es ist wie eine Gesetzmäßigkeit.
Die Anderen geben immer das Echo deiner Worte zurück.

Quelle: Qumran2

Bild: ewirz