Immer mehr Kinder in Deutschland, der Schweiz und Österreich wachsen mit mehr als einer Sprache auf. Sie verfügen bereits im Vorschulalter über einen reichhaltigen Sprachschatz, der es ihnen erlaubt, mühelos in beiden Sprachen zu kommunizieren und somit sehr früh wichtige interkulturelle Erfahrungen zu machen.
Die Lebensbedingungen, unter denen Kinder mit mehr als einer Sprache groß werden, sind sehr vielfältig es gibt somit sehr viele verschiedene Formen der Mehrsprachigkeit. Doch trotz der großen Vielzahl an unterschiedlichen mehrsprachigen Lebenssituationen kann man grob zwei große Gruppen von zweisprachigen Kindern voneinander unterscheiden, die sich in ihrer sprachlichen Entwicklung stark voneinander unterscheiden.
Als simultan bilingual bezeichnet man diejenigen Kinder, die sehr früh - während der ersten zwei bis drei Lebensjahre mit zwei Sprachen aufwachsen. Häufig geschieht dies dadurch, dass beide Eltern unterschiedliche Muttersprachen haben, die sie mit dem Kind sprechen. Dadurch wächst das Kind ganz selbstverständlich mit zwei Sprachen auf
Sukzessiv zweisprachige Kinder lernen innerhalb der ersten drei Lebensjahre zunächst nur eine Sprache - ihre Muttersprache. Ab dem Alter von drei Jahren kommt dann eine weitere Sprache hinzu. Häufig ist dies der Fall, wenn muttersprachig nicht-deutsche Kinder ab drei Jahren eine deutschsprachige Kindertagesstätte besuchen.
Die zweisprachige Kompetenz eines Kindes bleibt aber nur so lange erhalten, wie es beide Sprachen auch tatsächlich oft im Alltag benutzt. Sobald eine Sprache nicht mehr häufig mit dem Kind gesprochen wird, verlernt es diese wieder.
Die meisten Ratgeber für bilinguale Familien sind sich darüber einig, dass Kinder am besten früh zwei Sprachen lernen, wenn jedes Elternteil konsequent die eigene Muttersprache mit dem Kind spricht und es eine gemeinsame Familiensprache gibt. Dieses Prinzip nennt man in der Fachwelt "one person - one language". Allerdings lässt sich der Alltag nicht immer so klar nach diesem Prinzip einteilen. So ist es auch sehr gut für die zweisprachige Entwicklung des Kindes, wenn es eine Familien- und eine Umweltsprache gibt oder aber zwei Sprachen in verschiedenen Situationen eingesetzt werden ("Beim Kuscheln reden wir Türkisch und beim Einkaufen Deutsch.").
Wer zweisprachig aufwächst, trainiert ständig seine kognitiven Fähigkeiten und profitiert davon sein Leben lang. Im Gehirn einer mehrsprachigen Person stehen die Sprachen miteinander im Wettbewerb: Wenn es zu einem Sprachimpuls kommt, werden die neuronalen Netze aktiviert – von allen hinterlegten Sprachen.
Schon im Alter von drei Jahren entwickeln mehrsprachige Kinder das metasprachliche Bewusstsein und wissen genau, wann sie es mit welcher Sprache zu tun haben. Der Vorwurf, dass bilinguale Kinder Sprachen mischen und keine Sprache richtig lernen ist falsch.
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