Der Kolibri ist ein Exot, der nicht in Europa beheimatet ist. Ein faszinierender Vogel, den viele Menschen nur von Dokumentarfilmen kennen. Sieht man ihn einmal „live“, lässt er das Herz des Beobachters höher schlagen. Hier verzeichnet der winzige Vogel bereits einen Rekord: Das Herz des Kolibris schlägt 400 bis 500 Mal pro Minute, während ihrer virtuosen Flugmanöver erhöht sich diese Zahl sogar auf 1200 Mal pro Minute, das sind 20 Herzschläge pro Sekunde. Und das bei einem Vogel, der je nach Art zwischen 2 und 22 g wiegt!
Weisskehlnymphe
Es gibt rund 340 Kolibri-Arten. Kolibris haben ganz Amerika von Süd-Alaska bis Feuerland erobert sowie die Karibik. Die meisten dieser eleganten Luftakrobaten leben in Südamerika. Die hier gezeigten Aufnahmen stammen allesamt von Costa Rica, das zu Mittelamerika gehört. Es ist eine Herausforderung für jeden Fotografen, gute Aufnahmen von Kolibris zu machen, ihr Schwirrflug ist schwierig auf die Fotospeicherkarte zu bannen. Der Kolibri fliegt manchmal so schnell, dass man ihn nur als verschwommenen Farbtupfer wahrnimmt. Kaum hört man das Summen seiner Flügel, ist er schon wieder verschwunden.
Braunschwanzamazilie
Kolibris sind extravagante Stars der Vogelwelt, ihre Flugkünste sind unübertroffen. Im Gegensatz zu anderen Vögeln können sie aber weder hüpfen noch gehen. Der wendige Flugkünstler kann mit einem Hochleistungssportler verglichen werden. Mit 80 Flügelschlägen pro Sekunde und einem aussergewöhnlichen Flugstil unterscheidet er sich stark von andern Vogelarten.
Der Kolibri ist der einzige Vogel, der die Fähigkeit hat, in der Luft im Schwirrflug (die Flügelschläge erfolgen mit starr gespreizten Flügeln) präzise auf der Stelle zu verharren, um von einer Blüte Nektar zu trinken. Mit dieser Technik kann er vorwärts, aber auch seitwärts und rückwärts fliegen, sich auf der Stelle drehen und sich sogar in Rückenlage fortbewegen. Dieser Flugstil kostet viel Kraft und Energie, die der Vogel mit einem besonderen „Treibstoff“ deckt – Blütennektar.
Schneekappenkolibri
Alle 15 Minuten müssen Kolibris Nektar von Blüten trinken, damit sie nicht verhungern. Der kleine Vogel trinkt jeden Tag mehr Nektar als er wiegt. Der Kolibri profitiert somit von den Blütenpflanzen, aber die Pflanze erhält eine Gegenleistung, die ihre Fortpflanzung garantiert. Die Kolibris transportieren die während des Trinkens aufgenommenen Pollen von einer Blüte zur andern. Heute werden etwa 8000 Pflanzenarten ausschliesslich von Kolibris bestäubt. Man kann also von einer Lebensgemeinschaft sprechen, die man in der Fachsprache als Symbiose bezeichnet. Diese hat sich immer mehr ausgeprägt und dazu geführt, dass gewisse Blütenpflanzen nur von einer bestimmten Kolibri-Art mit einem speziell auf die Blüte angepassten Schnabel angeflogen werden.
Als Beispiel sei hier der Schwertschnabel-Kolibri erwähnt. Sein fast 10 cm langer Schnabel ist sogar länger als sein Körper, in Relation zum Körper hat er den längsten Schnabel in der Vogelwelt. Nur er kann den Nektar aus dem 20 cm langen Kelch der Engelstrompete saugen. Diese Blütenpflanze muss er deshalb auch nicht gegen andere Kolibri-Arten verteidigen.
Egal welche Schnabelform ein Kolibri hat, ein besonderes „Werkzeug“ ist seine sehr lange, an der Spitze gespaltene Zunge, mit der er den Nektar wie mit einem Strohhalm aufsaugen kann.
Da die Nahrungsaufnahme im Schwirrflug vor der Blüte einen grossen Kraftaufwand bedeutet, wäre es nicht effizient, bereits leer getrunkene Blüten anzufliegen. Hier kommt eine weitere Fähigkeit des Athleten der Lüfte zum Tragen. Er erinnert sich, welche Blüten er bereits geleert hat, eine beeindruckende Leistung für das Gehirn eines so kleinen Vogels. Vom Nektar alleine können Kolibris trotzdem nicht leben, sie benötigen zusätzlich Proteine für den Muskelaufbau und um die Federn zu ersetzen. Deshalb fangen sie auch Insekten.
Jede Nacht ist für erwachsene Kolibris eine Herausforderung, da sie ohne Futter bis zum Morgen auskommen müssen. Zudem können die Nächte in den höheren Lagen der Bergwälder Südamerikas empfindlich kühl werden. Um die Nacht zu überstehen, wendet der Vogel eine ausgeklügelte Strategie an. Er fällt nachts in eine Art Winterschlaf. Seine Körpertemperatur fällt und sein Herzschlag reduziert sich auf etwa 40 Schläge pro Minute. Er schläft buchstäblich auf Sparflamme. Wenn der Tag anbricht, beginnt der Kolibri zu zittern, um sich aufzuwärmen. Es dauert etwa eine halbe Stunde, bis sich sein Zustand wieder normalisiert. Die Nachtphase ist eine gefährliche Zeit für den Kolibri, da er sich während der “Kältestarre“ nicht bewegen kann und so leicht Feinden zum Opfer fällt. Übrigens ist auch tagsüber Vorsicht geboten. Werden Kolibris von Bienen oder Wespen gestochen, endet das bei ihrer geringen Grösse tödlich.
Violettkron-Brillantkolibri
Die Federn der Luftakrobaten schillern in den prächtigsten Farben. Die Farben hängen vom Einfallswinkel des Sonnenlichts ab. Deshalb können Kolibris ihre Signale gezielt einsetzen. Sie können Eindringlinge ins Revier warnend anfunkeln oder sich für Fressfeinde unauffällig machen. Kommt es trotzdem zu Kämpfen, geht es manchmal um Leben und Tod. Duelle finden in der Luft statt, die Revierkämpfe drehen sich um die Nahrungsquellen. Das Federkleid muss natürlich wie bei allen Vögeln gut gepflegt werden. Kolibris verbringen einen grossen Teil des Tages auf Zweigen, nicht nur um Energie zu sparen, sondern um ihr Gefieder zu putzen. Sie schätzen wie wir Menschen eine warme Dusche. Im Regenwald lässt sich der Kolibri bei einem Schauer gerne von oben berieseln.
Kleiner Veilchenkolibri
Mit seinem farbenprächtigen Gefieder beeindruckt das Kolibri-Männchen natürlich auch die Weibchen, besonders während der Balzzeit. Das Männchen vollführt spektakuläre Balztänze, was den kleinen Vogel viel Energie kostet. Damit demonstriert er der Partnerin aber auch seine körperliche Fitness. Nach der Paarung baut das Kolibri-Weibchen in einem Busch oder Baum ein Nest aus Spinnweben, Pflanzenwolle, Flechten oder Moos.
Es legt im Abstand von zwei Tagen zwei Eier. Das Männchen beteiligt sich weder am Nestbau noch an der Jungenaufzucht. Nach dem Schlüpfen der Jungvögel werden die Jungen im Nest gewärmt und mit einer nahrhaften Mischung aus Nektar, Pollen und Insekten gefüttert. Das Kolibri-Weibchen erbringt eine beachtliche Leistung während der Jungenaufzucht. Bis zu 140 Nahrungsflüge pro Tag sind nötig, um die Jungen zu versorgen. Nach drei bis vier Wochen sind sie flügge. Trotz aller Zuwendung der Mutter erreichen nur wenige Jungvögel das Erwachsenenalter.
Streifenschwankolibri
Unter den Kolibris findet man die kleinste Vogelart überhaupt – die Bienenelfe auf der Insel Kuba. Sie ist zwei Gramm schwer und sechs Zentimeter lang (inklusive Schwanzfedern und Schnabel), das entspricht etwa der Grösse des kleinen Fingers beim Menschen. Zum Vergleich: unser einheimisches Wintergoldhähnchen wiegt rund 5 Gramm, was einem Briefchen Zucker entspricht. Der grösste Kolibri ist der Riesenkolibri, der in Peru und Chile die Anden bewohnt. Vom Namen darf man sich nicht täuschen lassen, der Gigant der Familie ist gerade mal 22 cm lang und wiegt so viel wie eine Kohlmeise oder ein Standardbrief = 20 Gramm!
Weissnackenkolibri an Feeder
Bereist man Costa Rica, sieht man im Garten der Lodges (Unterkünfte in Nationalparks), aber auch in Privatgärten, sogenannte „Feeder“. Das sind aufgehängte Futterbehälter, die mit einer zuckerhaltigen Nährlösung gefüllt sind und von den Kolibris rege angeflogen werden, da sie so zusätzlich ohne grossen Aufwand zu „Nektar“ kommen. Für Touristen ist das natürlich eine Attraktion, da sie Kolibris zu Gesicht bekommen, ohne sie suchen zu müssen.
Wie eingangs erwähnt, gibt es in Europa keine Kolibris. Und doch gehen immer wieder Meldungen von Kolibri-Sichtungen ein. Dabei handelt es sich aber um einen Schwärmer, das Taubenschwänzchen. Es ist ein wunderschönes Insekt, dessen Schwirrflug vor Blütenpflanzen jenem des Kolibris gleicht. Mit seinem Rüssel nimmt es aus bestimmten Blüten Nektar auf. Zur gleichen Kategorie gehört der ebenso attraktive Hummelschwärmer.
Also auch wir Europäer haben unsere „Kolibris“, deren Schönheit und Anmut ebenso verzaubern.
Die ausführliche Dokumentation zum heutigen Vogel des Monats für den Unterricht finden Sie hier: Kolibris oder in der Lehrmittel Boutique, wo das Heft auch für Nichtmitglieder kostenlos zur Verfügung steht.
Ich danke Edith und Beni Herzog herzlich für die interessanten Informationen und die wunderbaren Fotos. Auf ihrer Webseite benifotos.ch sind die Bilder grösser und noch prächtiger zu sehen.
Zielgruppe: 3. - 6. Klasse
Bezug Lehrplan 21: NMG 2.1 NMG 2.3 NMG 2.4 NMG.2.6