Rabenvögel geniessen bei den Menschen einen zweifelhaften Ruf, obwohl sie zu den intelligentesten Vögeln zählen. Dieser ist entstanden durch falsches Wissen, Vorurteile und uralte Ängste. Krähenvögel treten gerne schwarmweise auf, sind laut und haben eine tiefe, raue Stimme – Eigenschaften, die sie ziemlich unbeliebt machen.
Die Dohle hingegen hat es da etwas leichter und ist vielen Leuten sympathisch. Ein Grund mag sein, dass ihr Sozialverhalten zu jenem des Menschen gewisse Parallelen aufweist. Verpaarte Dohlen bleiben sich ein Leben lang treu und sind fast immer zusammen. Sie haben eine enge Bindung und tauschen gerne Zärtlichkeiten aus, oft kraulen sie sich gegenseitig den Nacken. Bei der Balz verneigt sich das Männchen vor seiner Partnerin. Auch gehen sie gemeinsam auf Nahrungssuche.
Die Dohle ist ein Singvogel und gehört zur Gattung Krähen und Raben. Sie ist relativ klein – etwa so wie eine Stadt-Taube –, lebhaft und sehr gesellig. Beide Geschlechter sind schwarz-grau gezeichnet. Halsseiten, Nacken und Hinterkopf sind heller grau, es sieht fast so aus, als trügen sie eine Kapuze. Der Vorderscheitel ist dunkel. Der Kopf der Dohle ist etwas rundlich, auffallend sind die hellen Augen, bei Jungvögeln ist die Iris sogar hellblau. Dadurch ruft sie in uns Menschen den Schlüsselreiz des „Kindchenschemas“ hervor, ein Effekt, den die Dohle sympathischer macht als andere Krähenvögel. Der Schnabel des Vogels ist kurz und kräftig.Ihr häufiger Kontaktruf ist ein helles, meist etwas schnalzend klingendes „kja“, das gerne mehrfach wiederholt wird.
Dohlen lieben Spass und sind exzellente Flugakrobaten. Ihre synchronen Flugspiele vollführen sie gerne vor Brutfelsen und -gebäuden sowie an Schlafplätzen.
Die Dohle bevorzugt offene Lebensräume mit Baumbestand und ist als einzige Krähe ein Höhlenbrüter. Sie nistet vor allem in Löchern und Nischen von Felswänden und besiedelt aus diesem Grund gerne historische Gebäude aus Stein, beispielsweise Schlösser, Kirchtürme und Ruinen. Bei Renovationen gehen solche Nistplätze leider oft verloren. Manchmal brüten sie auch an Brücken und Strommasten oder in Spechthöhlen.
Die Brutkolonien können einige Dutzend Paare umfassen. In den Kolonien herrscht eine strenge Hierarchie, die die Wahl der Nistplätze und die Reihenfolge beim Fressen regelt. Der Rang eines Paares richtet sich nach der Stellung des Männchens. Das kennen wir auch von anderen Tieren wie den Affen.
Dohlen suchen ihre Nahrung auf dem Boden und sind deshalb auf niedrige Vegetation angewiesen.Mähwiesen, Weideland und Äcker sind ideale Nahrungsplätze. Die Vögel sind Allesfresser. Insekten, Regenwürmer, Schnecken, Bohnen, Erbsen, Aas, Vogeleier und Kleinsäuger stehen auf ihrem Speiseplan. Im Winter weichen sie auf pflanzliche Kost aus.
In Siedlungsnähe ernähren sie sich gerne von Abfällen wie Reis, Teigwaren, Brot oder Fleisch, zurückgelassen von Menschen. Das verfüttern sie bei Nahrungsmangel auch an ihre Jungvögel. Es scheint aber, dass dies den Stadt-Dohlen langfristig schadet. Sie sind leichter, krankheitsanfälliger und haben weniger Nachwuchs.
Dohlen suchen ihre Nistplätze nach Ende des Winters. Ende Februar und Anfang März beginnen sie mit dem Nestbau. Beide Partner beteiligen sich daran. Das Nest besteht aus einem Unterbau, einer Art Plattform, von fingerdicken Zweigen. Die Nestmulde wird mit Moos, Papierfetzen, Schafwolle sowie Erd- und Lehmklumpen ausgekleidet. Während der Paarungszeit ahmen Dohlenmännchen und -weibchen oft die Bewegungen des Partners nach, wie man das manchmal auch bei Menschen beobachten kann. Aber auch ausserhalb der Brutzeit pflegen sie einen engen Zusammenhalt, Paare tragen während der gegenseitigen Gefiederpflege gelegentlich ein leises Schwatzen vor.
Nach der Eiablage bebrütet das Weibchen die drei bis sechs Eier während rund 18 Tagen und wird in dieser Zeit vom Männchen mit Nahrung versorgt. Nestlinge sind nach ungefähr 35 Tagen flügge, aber nach dem Ausfliegen noch einige Wochen von den Eltern abhängig.
Abseits der Brutplätze bewegen sich die Rabenvögel, die auch als „Turmdohlen“ bezeichnet werden, häufig in grösseren Gruppen oder Schwärmen. Sie sind auf der Nahrungssuche auf Feldern oft vergesellschaftet mit Saat- oder Rabenkrähen. Dohlen sind wendiger als grössere Rabenvögel, das verschafft ihnen Vorteile an Futterquellen. Sieht man Dohlen am Boden, erkennt man gut, dass sie würdevoll schreiten.
Im Herbst und Winter suchen die geselligen Vögel mit Raben und Saatkrähen gemeinsame Schlafplätze auf in Feldgehölzen oder hohen Pappeln. Auf dem Zug sind Dohlen ebenfalls oft mit Saatkrähen unterwegs.
Saatkrähe und Rabenkrähe
Das Verbreitungsgebiet von Dohlen erstreckt sich vom nordafrikanischen Atlasgebirge über Europa bis zum Baikalsee. Im Winter erhält Mitteleuropa aus Nord und Ost erheblichen Zuzug.
Dohlen haben tierische Feinde wie Habicht, Wanderfalke, Stein- und Baummarder. Ihre Gruppentaktik schützt sie relativ gut, weil die einzelne Dohle weniger Zeit in die Kontrolle der Umgebung investieren muss. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz (Deutschland) fand heraus, dass Dohlen sogar Feindbilder erlernen können. Seine zahmen Dohlen erkannten einen Feind immer wieder, nachdem sie ihn zwei- oder dreimal hintereinander als solchen erleben mussten. Per „Schnarrgeräusch“ geben sie diese Erfahrung an andere Dohlen weiter.
Die ausführliche Dokumentation zum heutigen Vogel des Monats für den Unterricht finden Sie hier: Dohle oder in der Lehrmittel Boutique, wo das Heft auch für Nichtmitglieder kostenlos zur Verfügung steht.
Ich danke Edith und Beni Herzog herzlich für die interessanten Informationen und die wunderbaren Fotos. Auf ihrer Webseite benifotos.ch sind die Bilder grösser und noch prächtiger zu sehen.
Zielgruppe: 3. - 6. Klasse
Bezug Lehrplan 21: NMG 2.1 NMG 2.3 NMG 2.4 NMG.2.6