Die Waldohreule gehört zu den häufigsten Eulen in der Schweiz, ebenso in Deutschland. Trotzdem sieht sie der Mensch kaum, da sie nachtaktiv ist und den Tag sitzend auf einem Baum verschläft. Ihr rindenfarbenes Gefieder tarnt sie hervorragend.
Eulen faszinieren viele Menschen, ein Grund mag sein, dass sie wie wir beide Augen vorne im Gesicht haben. Auffällig bei der Waldohreule sind die langen Federohren, die aber keine Ohren sind, sondern verlängerte Kopffedern. Sie dienen der Kommunikation mit Artgenossen und drücken auch ihre Gemütslage aus.
Die Waldohreule jagt in der Dämmerung und in der Nacht, ihre bevorzugte Nahrung sind Mäuse. Sie ortet ihre Beute aber nicht ausschliesslich mit den Augen, sondern vor allem mit ihrem feinen Gehör. Die beiden Ohröffnungen sitzen etwas verschoben an den Kopfseiten, befinden sich also nicht auf gleicher Höhe. Dadurch können sie Geräuschquellen besser wahrnehmen und raschelnde oder piepsende Mäuse zentimetergenau orten. Der Gesichtsschleier spielt bei der Wahrnehmung von Geräuschen ebenfalls eine wichtige Rolle. Wie eine Satellitenschüssel verstärkt er die Töne und leitet sie zu den Ohren. Ein weiterer Vorteil ist der praktisch geräuschlose Flug dank der samtartigen Struktur auf den Federn und weil die äussersten Schwungfedern gezähnte Federsäume („Eulenkamm“) haben. So ausgerüstet entgeht keine Maus den scharfen Krallen des heimlichen Jägers.
Wie andere Eulen ist die Waldohreule in der Lage, ihren Kopf so stark zu drehen, dass sie beobachten kann, was hinter ihrem Kopf passiert, ohne dass sie ihre Körperposition ändern muss. Diese besondere Drehfähigkeit des Halses verdankt sie ihren 14 Halswirbeln, der Mensch verfügt nur über deren sieben.
Männliche Waldohreulen suchen bereits im Winter nach einem geeigneten Nest. Sie bauen kein eigenes Nest, sondern übernehmen alte Krähennester und manchmal auch die Horste von Greifvögeln. Ist ein geeignetes Nest ausgewählt, lockt der Vogel das Weibchen mit Gesängen an den Neststandort. Das Balzritual nimmt seinen Lauf, wobei die Eulen sich immer wieder fallen lassen und laut mit den Flügeln klatschen. Manchmal erhält das Weibchen Mäuse als Brautgeschenk. Die Paarung wird am Horst vollzogen.
In einem guten Mäusejahr legt das Weibchen sechs bis acht Eier, in einem schlechten Mäusejahr sind es nur drei bis fünf. Das Weibchen bebrütet die Eier alleine, sein Partner versorgt es in dieser Zeit mit Mäusen. Ende April bis Mitte Mai erblicken die Küken das Licht der Welt. Die Mutter betreut ihren Nachwuchs rund um die Uhr, sie hat einen Full-time-Job. Das Männchen beschafft die Nahrung. Mäuse werden vom Weibchen in schnabelgerechte Stücke zerrissen.
Nach rund drei Wochen verlassen die Jungvögel das Nest. Fliegen können sie noch nicht, sie klettern aber auf Äste und fordern nachts laut fiepend die Eltern auf, Futter zu bringen. In diesem Alter bezeichnet man die Jungeulen als Ästlinge. Später erlernen sie das Fliegen und die Eltern zeigen ihnen, wie man Mäuse fängt. Im Alter von etwa 10 Wochen wissen sie, wo und wie man eine Maus packt.
Da Waldohreulen Teile ihrer Nahrung wie Haare und Knöchelchen nicht verdauen können, werden diese als Gewölle herausgewürgt. Oft verraten die Gewölle den Standort von Waldohreulen und die genaue Untersuchung der Gewölle zeigt, was die Vögel fressen. Nebst Mäusen sind es ab und zu auch andere Kleinsäuger, Amphibien, Reptilien oder kleine Singvögel.
Nachdem die jungen Eulen im Sommer selbstständig sind, suchen sie sich ein eigenes Gebiet in der näheren Umgebung. Ein Rekord ist allerdings dokumentiert: Eine in der Schweiz beringte Jungeule fand man 2500 km entfernt in Russland! Über das Wanderverhalten der Art ist allerdings noch wenig bekannt.
Trotz ihres Namens meiden Waldohreulen das Innere von grösseren Wäldern. Ihre Hauptnahrung – Mäuse –erbeuten sie nämlich am einfachsten auf Wiesen und Weiden und nicht im Wald. Ihr optimaler Lebensraum ist der Übergangsbereich zwischen Wald und Ackerland. Dazu gehören lichte Waldpartien, Hecken, Obstbäume, Magerwiesen, Weiden und Buntbrachen. Halboffene Lebensräume sind also sehr wichtig, schrumpfen aber leider immer mehr zusammen durch die intensive Landwirtschaft und das Ausräumen der Landschaft. Zudem fordern Verkehr und Freileitungen viele Opfer. Wichtig ist auch, dass keine Rabenkrähen-Paare abgeschossen werden, da diese das nötige Nest für die Waldohreule bauen und zugleich Jungkrähenschwärme vom Eulenrevier fernhalten. Einem fatalen Verhalten wurde im Jahr 2012 in der Schweiz Einhalt geboten: Zur Brutzeit schoss man in Krähennester, dies wurde natürlich auch Waldohreulen zum Verhängnis. Heute haben auch Rabenkrähen von Mitte Februar bis Ende Juli Schonzeit.
Waldohreulen sind Standvögel, das heisst, sie überwintern bei uns. Zuzug erhalten unsere einheimischen Eulen von Vögeln aus Nord- und Osteuropa, die in der kalten Jahreszeit wärmere Gefilde bevorzugen. Sie vergesellschaften sich mit den bei uns lebenden Waldohreulen und haben gemeinsame Ruhe- und Schlafplätze in einem Baum, meist ist es ein Nadelbaum.
Damit der Waldohreulen-Bestand nicht zurückgeht, sind der Erhalt und die Förderung ihres Lebensraums besonders wichtig. Im Zuge der Bestrebungen nach mehr Artenvielfalt ist es wünschenswert, dass die Übergänge zwischen Wald und Kulturland aufgewertet werden und eine grössere Strukturvielfalt aufweisen. Eine Buntbrache oder Hecken beispielsweise beherbergen viele Mäuse und ermöglichen den Waldohreulen ein gutes „Fangergebnis“, sobald die Mäuse sich aus der Deckung wagen. Aus diesen Gründen war die Waldohreule in der Schweiz Vogel des Jahres 2014.
Die ausführliche Dokumentation zum heutigen Vogel des Monats für den Unterricht finden Sie hier: Waldohreule oder in der Lehrmittel Boutique, wo das Heft auch für Nichtmitglieder kostenlos zur Verfügung steht.
Ich danke Edith und Beni Herzog herzlich für die interessanten Informationen und die wunderbaren Fotos. Auf ihrer Webseite benifotos.ch sind die Bilder grösser und noch prächtiger zu sehen.
Zielgruppe: 3. - 6. Klasse
Bezug Lehrplan 21: NMG 2.1 NMG 2.3 NMG 2.4 NMG.2.6