Man schliesst es sofort ins Herz – das Wintergoldhähnchen ist der kleinste Singvogel Europas. Es wiegt kaum mehr als ein Würfelzucker, also rund 4 bis 7 Gramm. Da verwundert es nicht, dass dieser Winzling Erstaunliches leisten muss, um seine Körperfunktionen aufrecht zu erhalten. Dazu gehört die tägliche Nahrungsaufnahme. Diese entspricht dem Umfang des Körpergewichts. Das Wintergoldhähnchen benötigt also jeden Tag rund 6 g Futter in Form von Kleinstlebewesen wie beispielsweise Blattläuse, Spinnen, Mücken und vor allem Springschwänze.
Die Hauptbeschäftigung des Leichtgewichts ist die Nahrungssuche, was besonders im Winter eine grosse Herausforderung ist, da es während 6 – 7 Stunden genügend Insekten fangen muss, um die langen und kalten Winternächte zu überstehen.
Der Name „Goldhähnchen“ kommt nicht von ungefähr –„Hähnchen“ im übertragenen Sinn, weil der gelbe Streifen auf dem Scheitel an einen Hahnenkamm erinnert. Die wissenschaftliche Bezeichnung „Regulus“ bedeutet kleiner König, der kleinste europäische Vogel ist „gekrönt“ mit einem gelben Scheitelstreif. Dieses auffällige Merkmal ist seitlich durch schwarze Federchen begrenzt. Der gelbe Scheitelstreif ist beim Männchen im Zentrum orange gefärbt, beim Weibchen ausschliesslich gelb.
Allerdings ist dies nur erkennbar, wenn die Scheitelfedern gesträubt werden. Bei Freilandbeobachtungen lassen sich die Geschlechter kaum unterscheiden. Die Oberseite des kleinen Vogels ist grau-grün, die Unterseite beige, das Auge schwach hell umrandet. Meist gut zu sehen ist die gelblich weisse Flügelbinde. Besonders im Sitzen wirkt das Wintergoldhähnchen rundlich, fast so als ob es keinen Hals hätte.
Ein enger Verwandter des Wintergoldhähnchens ist das Sommergoldhähnchen, ein ebenso niedlicher Vogel, der das Herz des Beobachters höher schlagen lässt.
Beim Sommergoldhähnchen fallen der weisse Überaugenstreif und der schwarze Augenstreif auf. Den Unterschied zum Wintergoldhähnchen kann man sich gut merken: das Sommergoldhähnchen trägt eine „Sonnenbrille“. Nicht nur das Aussehen, auch der Gesang ist unterschiedlich. Diesen nehmen viele, vor allem ältere Menschen nicht wahr, da die Töne sehr hoch sind. Die wispernden Tonelemente bestehen aus „sisisisisisi“, beim Wintergoldhähnchen sind diese auf- und absteigend, beim Sommergoldhähnchen auf gleicher Höhe. Auch da gibt es einen kleinen Trick, wie man sich den Unterschied merken kann: Das Wintergoldhähnchen schlottert vor Kälte, deshalb das zittrige Auf und Ab im Gesang.
Wintergoldhähnchen brüten in Europa, Südwestsibirien, Asien bis Japan. Sie benötigen während der Brutzeit Fichtenbestände, reine Laubwälder werden gemieden.
Mit etwas Glück kann der kleine Vogel auch in einem Stadtpark beobachtet werden, wenn ein Bestand an Nadelgehölzen vorhanden ist.
Im Winter verlassen Wintergoldhähnchen ihre Brutgebiete im hohen Norden, sie sind sogenannte Teilzieher und fliegen südwärts in wärmere Gefilde. Oft gibt es unterwegs invasionsartige Ansammlungen im Nord- und Ostseeraum.
Der Heimzug setzt im März ein, Wintergoldhähnchen legen Tageszugstrecken von 150 bis 240 km zurück, eine enorme Leistung dieses kleinen Vogels. Nach der Ankunft im Brutgebiet beginnt das Brutgeschäft. Das Nest errichten Wintergoldhähnchen meist hoch oben an Fichtenzweigen, es wird im Gewirr von Geäst „aufgehängt“. Zur Fixierung dienen Spinnen- und Raupenfäden, weitere Materialien sind Moos, Flechten und Blätter. Innen polstern die Vögel das Nest mit Tierhaaren aus. Die wärmeisolierende Auspolsterung ist wichtig, damit das Weibchen während der Bebrütungszeit das Gelege bis zu 25 Minuten verlassen kann, um auf Nahrungssuche zu gehen.
Das Gelege umfasst 7 – 10 Eier, ein Ei wiegt nur knapp 1 Gramm. Nach 15 Tagen schlüpfen die Jungvögel und das Weibchen hudert sie anfangs alleine. Später übernimmt das Männchen diese Aufgabe und ist auch für die weitere Aufzucht verantwortlich, da das Weibchen bereits mit einer zweiten Brut beginnt. Dies bezeichnet man als Schachtelbrut. Später wird der Nachwuchs gemeinsam von beiden Eltern gefüttert, eine intensive Zeit für die Elternvögel, da sie extrem viel Nahrung beschaffen müssen.
Ein Wintergoldhähnchen zu entdecken, ist gar nicht so einfach. Sie sind sehr lebhaft und sitzen praktisch nie still, da sie fast ununterbrochen auf Nahrungssuche sind und Äste und Zweige nach Insekten absuchen, manchmal auch kopfüber.
Oft erbeuten sie ihre Nahrung auch im Schwirrflug, so wie wir es von Kolibris kennen. Auf diese Art gelingt es ihnen auch, Spinnen zu erhaschen, die sich auf der Flucht „abseilen“.
Goldhähnchen können im besten Fall vier Jahre alt werden, aber die Sterblichkeitsrate ist hoch. Vor allem im Spätherbst und Winter verlieren viele ihr Leben aufgrund von Nahrungsmangel und Kälte. Besonders gefährlich wird es für sie, wenn sich eine Eisschicht auf Ästen bildet und sie ihre Hauptnahrung – Springschwänze – nicht erbeuten können. Da kommt es auch vor, dass Wintergoldhähnchen nach Futter suchen, indem sie in Schneeverwehungen entlang von Fichten schlüpfen und eingeschneite Fichtenzweige nach Nahrung absuchen. Mit ihren zwei Jahresbruten können grosse Verluste innert Kürze wieder wettgemacht werden.
Die ausführliche Dokumentation zum heutigen Vogel des Monats für den Unterricht finden Sie hier: Wintergoldhähnchen oder in der Lehrmittel Boutique, wo das Heft auch für Nichtmitglieder kostenlos zur Verfügung steht.
Ich danke Edith und Beni Herzog herzlich für die interessanten Informationen und die wunderbaren Fotos. Auf ihrer Webseite benifotos.ch sind die Bilder grösser und noch prächtiger zu sehen.
Zielgruppe: 3. - 6. Klasse
Bezug Lehrplan 21: NMG 2.1 NMG 2.3 NMG 2.4 NMG.2.6