Dritter Teil des Gastbeitrages von Christoph Eichhorn
Anregungen für Eltern
Eine Lehrperson tut gut daran, Eltern die folgenden Schritte im Detail zu vermitteln – und am besten zusätzlich schriftlich abzugeben. Denn in Mobbingsituationen sind die Eltern meist derart emotional überlastet, dass sie nur sehr begrenzt Hinweise und Anregungen im Gedächtnis behalten, geschweige denn zieldienlich umsetzen können.
Wichtige Schritte, die Eltern tun können, um ihr Kind zu unterstützen
Gut zuhören: Zunächst ist wichtig, dem Kind zuzuhören und zu fragen, was geschehen ist.
Was man nicht tun sollte:
- Dem Kind Vorwürfe machen, oder ihm sofort Ratschläge geben, wie „du musst dich halt wehren“ oder „du musst nicht darauf achten, was die anderen sagen“. Das ist gut gemeint aber oft ist das Kind nicht in der Lage, diese Hinweise umzusetzen.
- Versuchen, die Tragweite des Problems kleinzureden, also z.B. zu sagen: „Das ist doch nicht so schlimm“, selbst, wenn das wirklich nach aussen hin so auszusehen scheint.
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Gut, das du es mir gesagt hast – das war richtig:
Viele Kinder schämen sich dafür, gemobbt zu werden. Viele fühlen sich minderwertig oder schuldig. Wenn ihm seine Eltern bestätigen, dass es richtig war, sich mit seinem Problem an sie zu wenden, geben sie ihm damit Sicherheit. -
Das Problem klären:
Angenommen ein Kind sagt: „Er hat Schimpfworte gesagt“. Dann ist gut herauszufinden welche Schimpfworte das waren. Oft schämen sich Kinder, diese Worte zu nennen. Der Nachteil ist, das sie dadurch ihre für das Kind vorhandene emotionale Dramatik beibehalten. Eine Lehrperson könnte in einem solchen Fall einer besorgten Mutter raten: „Vor kurzem hat mir eine Mutter in einer ähnlichen Situation berichtet, dass sie ihr Kind gebeten habe, alle Schimpfworte auf ein grosses Blatt zu schreiben. Damit hat sie sehr gute Erfahrungen gemacht.“ -
Vereinbarung treffen:
Die Eltern vereinbaren mit ihrem Kind: „Sag mir bitte gleich, wenn wieder etwas geschehen ist." Das Kind soll bei weiteren Vorfällen auch sofort seine Lehrperson informieren. -
Problembewältigung:
Eltern sagen zum Kind: „Lass uns mal überlegen, was du kannst tun, wenn xy wieder auftritt.“Allerdings müssen die Eltern auch darüber informiert werden, dass bei solchen Fragen ihrem Kind jetzt erst einmal nichts einfällt. Das ist normal, weil es sich unter grossem Druck fühlt. Deshalb brauchen sie Geduld. Sie können in den nächsten Tagen immer wieder einmal unaufgeregt auf diese Frage zurückkommen.
Eine Variante ist, den Eltern anzubieten, selbst das Gespräch zu führen.
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Was war heute angenehm / hat dir gefallen:
Eltern sprechen mit ihrem Kind auch darüber: „Was war heute dort, wo das Mobbing normalerweise auftritt, also z.B. in der Schule, schön oder angenehm?“ Und auch hier müssen Eltern Geduld haben, weil das Kind in der Regel erst einmal keine Antworten geben kann. -
Was kannst du tun, damit es dir in deiner Freizeit, nach einem Vorfall, wieder ein bisschen besser geht:
Hier geht es darum, dass das Kind lernt, sein Wohlbefinden zu beeinflussen, in dem es z.B. seine Lieblingscassette hört, sich mit seiner Freundin trifft usw. Auch hier ist wichtig, die Eltern darüber zu informieren, dass ihr Kind nicht sofort eine Lösung findet.Angenommen es geht einem Kind beim Nachtessen schon wieder besser, dann könnten seine Eltern sagen: „Ich habe das Gefühl, dass es dir schon wieder besser geht.“ Und wenn das Kind das bestätigt, könnten sie sagen: „Das freut mich – weisst du, wie du es geschafft hast, dass es dir schon wieder ein bisschen besser geht?“
Eine Variante dazu ist, dass Vater, Mutter und Kind hin und wieder zusammen darüber sprechen, was jedem von ihnen dabei hilft, sich nach einer belastenden Situation wieder besser zu fühlen. Dabei wird meist deutlich, dass es individuell sehr unterschiedliche Strategien gibt.
Mobbing kann Betroffene stärken
Immer wieder lesen und hören wir davon, dass von Mobbing Betroffene daraus später in ihrem Leben eine Strategie der Stärke entwickelt haben.
Es bietet sich an, mit den Eltern diesen Punkt anzusprechen, also z.B.: „Aktuell ist die Situation sehr belastend – langfristig gesehen kann sich daraus beim Kind aber auch eine innere Stärke entwickeln, wie etwa: „Ich lass mich davon nicht unterkriegen.“ Diese Information eröffnet fast allen Eltern eine ganz neue Sichtweise auf das Problem.
Klar ist zusätzlich wichtig, dass Lehrpersonen und Schule die in der Literatur beschriebenen Anti-Mobbing Strategien konsequent umsetzen.
Christoph Eichhorn arbeitet seit über 20 Jahren als Schulpsychologe mit Schwerpunkt Classroom-Management. Unter anderem hat er für Bulgarien und die Slowakei ein Classroom-Management-Training entwickelt. Sein Buch „Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten“, Klett-Cotta, erreicht gerade die 9. Auflage.
Weitere Infos auf www.classroom-management.ch
Literatur
- Eichhorn, C. (2014): Die Klassenregeln. Guter Unterricht mit Classroom-Management. Klett-Cotta, Stuttgart
- Eichhorn, C. (2017): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett-Cotta, 9. Aufl.
- Jäger, R., Fischer, U., Riebel, J.: Mobbing bei Schülerinnen und Schülern der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung auf der Grundlage einer online-Befragung. Landau 2007, S. 3.
- Reddemann, L: Eine Reise von 1 000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt. 2007
- Sullivan, K. (2000): The Anti-Bullying Handbook.
Bild: Pixabay, Counselling