Die Classroom Management-Philosophie bei der Integration von Flüchtlingen III

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Dritter Teil des Gastbeitrages von Christoph Eichhorn

Kompetenzerleben und Stärken-Orientierung

Kind chombosan6Alle Lehrpersonen gehen davon aus, dass der Schüler Kompetenzen und Stärken hat, wie jeder andere Schüler auch. Diese gilt es zu erkennen.
- Was kannst du gut?
- gezielt Aufgaben geben, die der Schüler bewältigen kann – also Erfolge gezielt herbeiführen
- Die Lehrperson achtet vor allem darauf, was der Schüler kann bzw. gut macht und meldet es detailliert zurück.

Selbstwirksamkeit ermöglichen

Kind chombosan7Hier geht es um die innere Überzeugung von Menschen, dass sie in ihrem Leben etwas bewirken können, wenn sie sich darum bemühen. Flüchtlinge können sich, auf dem Hintergrund traumatisierender Erlebnisse, hilflos und ohnmächtig erleben. Dann ist es wichtig, dass die Lehrperson sie gezielt darauf hinweist, dass sie Einfluss auf ihr Leben und ihr Wohlergehen nehmen können.
Beispiel: „Du hast gut gelernt, und beherrscht deshalb die Plus-Aufgaben schon besser als letzte Woche.“
Beispiel: „Du hast deinen Mitschülern gezeigt, welche Musik und Mode in deiner Heimat gerade aktuell ist. Hast du auch bemerkt, wie die meisten gut mitgemacht haben? Das ist dir mit deinem Vortrag gut gelungen.“

Unterstützungskultur

Leitidee an der sich alle Lehrpersonen der Schule orientieren lautet: „Was braucht der Schüler, um es gut zu machen, sich wohl zu fühlen und gut lernen zu können?“

Nicht nur die Lehrperson – auch die Mitschüler sind ein Schlüsselelement bei der Integration

 

Kind chombosan1Kinder wissen manchmal besser, was andere Kinder brauchen, um sich willkommen und wohl zu fühlen, als ihre Lehrperson. Und zu einem Großteil hängt es von ihnen ab, wie weit sich Schüler mit Migrationshintergrund in der Klasse wohl fühlen. Denn Kinder möchten Kontakt zu anderen Kindern. Unabhängig davon, ob sie aus Deutschland, Europa, Afrika oder Asien stammen.

Frau Graf sagte zu ihren Schülern: „Heute brauche ich die Hilfe von euch allen. Wir werden nämlich in drei Wochen drei neue Mitschüler bekommen. Sie kommen von weit her und es ganz wichtig, dass sie sich bei uns wohlfühlen – so wie ihr euch ja auch wohlfühlen möchtet.

Sie können noch wenig Deutsch und waren noch nie in einer deutschen Schule – es ist also richtig schwierig für sie. Wie würdet ihr euch denn fühlen, wenn ihr nächste Woche in China oder der Türkei in die Schule gehen müsstet, ohne die Sprache richtig zu kennen und zu wissen, wie es dort in der Schule zugeht? Dazu hat sie einen Text in chinesischer Sprache mitgebracht, den sie ihren Schülern vorspielt. Eine andere Lehrperson hat eine Mutter aus Gambia gebeten, einen 15-minütigen Unterricht in der Landessprache zu geben – ohne ein Wort deutsch zu sprechen. Die Lehrperson hat dies mit der Mutter vorbereitet. Die Schhüler sollen lernen, wie man in der Landessprache sagt, „Ich heisse XY – wie heisst du?“ und als zweites bis fünf zu zählen.

Im Anschluss kann die Lehrperson mit ihrer Klasse besprechen: „Was würdet ihr euch von euren Mitschülern wünschen?“

In einem weiteren Schritt überlegen die Schüler in kleinen Gruppen, was jeder einzelne ganz konkret tun wird, um den neuen Mitschüler willkommen zu heißen. Wichtig ist auch hier, dass die Lehrperson ihre Schüler großzügig für ihr Engagement lobt – und sich alle wohlfühlen.

In den ersten Wochen wird Frau Graf noch mehrfach mit den Schülerinnen und Schülern ihrer Klasse darüber sprechen, was jeder weiterhin tun wird, damit sich die „Neuen“ wohl fühlen. Und mit den „Neuen“ bespricht, wie diese sich bedanken.

Die Kommunikationsstrategie mit den Eltern der einheimischen Schüler

Kind chombosan8Wenn ein Schüler mit Fluchterfahrung in eine Klasse kommt, muss man davon ausgehen, dass dies einige der Eltern seiner Mitschüler beunruhigt. Schnell entsteht dann Kritik. Natürlich ist wichtig im Vorfeld gut zu informieren – trotzdem können Eltern kritisieren.

Die Schwerpunkte der Kommunikationsstrategie sollten darauf liegen, dass alle getroffenen Massnahmen zur Integration des Flüchtlings allen Schülerinnen und Schülern der Klasse zugutekommen. Eine Schule teilte den Eltern mit: „Von den Massnahmen zur Integration der neuen Schülerinnen und Schüler profitieren alle Schüler. Denn sie zielen darauf ab, dass es im Klassenzimmer rund läuft und eine gute Lernatmosphäre entsteht.“

Christoph Eichhorn arbeitet seit über 15 Jahren beim Schulpsychologischen Dienst Graubünden. Seine Schwerpunkte sind Classroom-Management und Lehrer-Gesundheit. Weitere Infos auf www.classroom-management.ch. Ich bedanke mich herzlich bei ihm für diese sehr interessanten, praxisnahen Ausführungen.

Literatur:
- Eichhorn, C., (2014): Die Klassenregeln. Guter Unterricht mit Classroom-Management. Klett-Cotta, Stuttgart.
- Eichhorn, C. (2016): Rituale in der Schule. https://www.meinunterricht.de/blog/rituale-schule-ruherituale-unterricht/
- Eichhorn, C. (2017): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett-Cotta. 9. Aufl.
- Emmer, E., Sabornie (2015): Handbook of Classroom-Management. Routledge, 2015, 2. Aufl.
- Hennemann, T,. Hillenbrand, C. (2010): Klassenführung – Classroom-Management. In: Hartke, B., Koch, K., Diehl, K.: Förderung in der schulischen Eingangsstufe. Stuttgart, Kohlhammer.
- Wong, H., Wong, R. (2004): The First Days of School. How to Be an Effective Teacher. Mountain View, CA: Wong.

Bilder: (c) Fotolia, chombosan