Ich wünschte, ich hätte ...

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Ich ging als Bettler von Tür zu Türe
am Dorfweg.
Da erschien in der Ferne
dein goldner Wagen,
wie schimmernder Traum
und ich wunderte mich,
wer dieser König der Könige sei.

Meine Hoffnung stieg hoch
und mir deuchten die schlimmen Tage vorbei,
ich stand Almosen erwartend,
die ungebeten verschenkt,
und Reichtum,
rings in den Staub geschüttet.

Der Wagen hielt, wo ich stand.
Dein Blick fiel auf mich,
du stiegst nieder mit Lächeln.
Ich fühlte, das Glück meines Lebens
sei endlich gekommen.
Da plötzlich strecktest du deine Rechte aus
und sprachst: Was hast du mir zu geben?

O welch ein Königscherz wars,
die Hand zu öffnen, dem Bettler zu betteln!
Ich war verwirrt, stand unentschlossen
und aus dem Quersack nahm ich langsam
das kleinste Korn und gab es dir.

Doch wie gross mein Erstaunen,
als am Ende des Tages
den Sack ich geleert auf dem Boden,
zuletzt ein kleines Korn von Gold
unter dem armen Haufen zu finden.
Und bitterlich weint ich und wünschte,
ich hätte das Herz gehabt,
dir mein Alles zu geben.

Rabindranath Tagore (1861-1941)
Bild: Unsplash, Lou Levit