Eltern - Was können Lehrpersonen für eine gute Elternkooperation tun?

5 1 1 1 1 1 Ø Bewertung 5.00 (Gesamt Bewertungen: 7)


Der dritte Teil des Gastbeitrages über Elternarbeit von Christoph Eichhorn.

Eltern Fotolia Kudryashka

Gleich beim Schulstart mit dem Aufbau beginnen.

Zum Glück sind selbst schwierige Schülerinnen und Schüler nicht durchgängig schwierig und meist auch nicht sofort während der ersten Schultage. Diese Möglichkeiten kann die Lehrperson nutzen, um den Eltern positive Nachrichten über ihr Kind zukommen zu lassen. Damit weicht sie deren ablehnende Haltung gegenüber Schule auf und errichtet das Fundament für die später nötige Zusammenarbeit. Nämlich dann, wenn sie mit den Eltern auch über das sprechen muss, was nicht gut läuft.

Deshalb achtet Frau Schneider sofort ab dem ersten Schultag, gerade bei schwierigen Schülern, auf Schritte in die richtige Richtung und meldet sie den Eltern sofort zurück. Indem sie ihnen beispielsweise ein Mail schreibt wie

"Jonas hat heute beim Turnen einem Mitschüler gut geholfen. Das hat mich sehr gefreut." Oder sie sendet, nach Rücksprache mit Jonas, per MMS ein Bild an dessen Eltern, "Jonas beim Lernen in Mathematik". Damit erreicht sie zwei wichtige Ziele: Sie etabliert eine Beziehung zu Jonas' Eltern und sie vertieft ihre Beziehung zu Jonas.

 

Von beidem wird sie besonders dann profitieren, wenn Jonas damit beginnt, sich unangemessen zu verhalten.

Mit Eltern über Probleme sprechen.
Wenn Schülerinnen oder Schüler schlechte Noten erzielen oder sich undiszipliniert verhalten, steht die Lehrer-Eltern-Beziehung auf dem Prüfstein. Die Lehrperson muss die Eltern über die Probleme des Kindes orientieren. Das ist allerdings dann besonders heikel, wenn die Eltern dies als persönliche Kritik erleben.

Wie mit Eltern über Probleme sprechen?
In manchen Schulen ist es üblich, dass das erste Zusammentreffen mit den Eltern erst nach einigen Wochen oder Monaten des neuen Jahres stattfindet. Der Vorteil ist, dass die Lehrperson das Kind dann bereits gut kennt. Ein Nachteil entsteht aber dann, wenn sich der Schüler oder die Schülerin bereits vor diesem ersten Zusammentreffen unangemessen verhält oder schlecht lernt. Denn dann stehen gleich im ersten Gespräch die Probleme des Kindes im Mittelpunkt. In manchen Fällen ist dann ein konstruktives Gespräch mit den Eltern kaum mehr möglich. Das beeinflusst die Haltung des Kindes seiner Lehrperson gegenüber negativ. Das Kind lernt schlechter und verhält sich eher undisziplinierter.

Was tun? Folgende Möglichkeiten können hilfreich sein:

Fotolia 35771904 Kudryashka 4Betrachten Sie die Eltern als Experten für ihr Kind:
Frau Schneider sagt: "Ich habe Sie heute eingeladen, um mit Ihnen darüber zu sprechen, wie wir beide gemeinsam Jonas am besten unterstützen können. Sie kennen ihn am besten und haben die meiste Erfahrung im Umgang mit ihm. Deshalb ist es mir ein Anliegen, Ihre Meinung kennenzulernen. Vielen Dank, dass Sie sich so schnell Zeit für dieses Gespräch genommen haben."

Benennen Sie klar das Problem:
Am besten beschreibt die Lehrperson das Problem so konkret wie möglich. Aussagen wie "Jonas verhält sich aggressiv" sind missverständlich. Das kann bedeuten, dass er eine Mitschülerin beschimpft hat oder dass er bereits zweimal einem Mitschüler das Heft zerrissen hat. Auch Aussagen wie "Jonas hat einen Mitschüler geschlagen" sind viel zu ungenau. Hat er ihm einen Schlag auf den Arm versetzt oder hat er so die Kontrolle über sich verloren, dass er dessen Kopf an die Wand geschlagen hat und die Lehrperson nur noch mit letztem Einsatz Schlimmeres verhindern konnte? Frau Schneider sagt: "Jonas hat gestern einer Mitschülerin (Carla) das Heft zerrissen."

Verwandeln Sie dann das Problem so schnell wie möglich in ein Entwicklungsziel:
Jedes Problem kann in eine zu erlerndende Fähigkeit umgewandelt werden. Dieses Umwandeln ist gar nicht so schwierig, wenn man vorher das Problemverhalten konkret beschrieben hat; denn daraus ergibt sich die zu erlernende Fähigkeit schon fast automatisch, wie die folgenden Beispiele zeigen:

  • Problem: Das Kind hat seine Schulsachen oft nicht dabei.
    Entwicklungsziel: Lernen, die Schulsachen mitzubringen.
  • Problem: Das Kind ruft im Unterricht oft dazwischen.
    Entwicklungsziel: Lernen, sich zu melden.
  • Problem: Das Kind ist während der Pause aggressiv.
    Entwicklungsziel: Nicht hinhören, wenn andere provozieren.
    Oder: Mehr Selbstkontrolle lernen.
    Oder: Lernen, sich an die Klassenregeln zu halten.

Frau Schneider sagt: "Mein Vorschlag ist, dass wir gemeinsam - Sie, Jonas und ich - überlegen, wie es Jonas lernt, andere zu respektieren." Eltern sind eher bereit, über Entwicklungsmöglichkeiten ihres Kindes zu sprechen, als über dessen Probleme.

Vermeiden Sie es, über die Ursachen unangemessenen Verhaltens zu sprechen:
Jonas' Eltern könnten sagen: "Carla hat Jonas provoziert." Was jetzt? Über Ursachen zu sprechen ist wie ein Gang übers Glatteis. Derartige Gespräche sind deshalb ungünstig,

  • weil sie nach Schuldigen suchen, die oft nicht zu finden sind,
  • weil die Beteiligten, in dem Fall Jonas' Eltern, versuchen, die Verantwortung ihres Kindes zu verwischen.

Selbst wenn Carla Jonas provoziert hat, entschuldigt dies nicht dessen Verhalten. Er hat Carlas Heft zerrissen und Frau Schneider muss darauf reagieren. Wenn sie gesehen hat, dass Carla Jonas zuvor die Zunge rausgestreckt hat, so muss sie dieses Verhalten natürlich auch ahnden.

Morgen können Sie im letzten Teil dieser Reihe mehr über die vereinbarten Entwicklungsziele lesen.


Diese interessanten Ausführungen zur Elternarbeit stellt uns Christoph Eichhorn zur Verfügung. Unser Gastautor arbeitet beim Schulpsychologischen Dienst Graubünden, wo er sich unter anderem seit vielen Jahren mit Lernen und Lern-Coaching befasst. Weitere Infos auf www.classroom-management.ch.

Literatur

  • Eichhorn, C. (2012): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten.
    Klett-Cotta. 7. Aufl.
  • Eichhorn, C. (2011): Bei schlechten Noten helfen gute Eltern. Klett-Cotta.
  • Furman, B. Stufen der Verantwortung (A)


Bilder:
 
- Fotolia / Kudryashka