Trotz schwierigen äusseren Rahmenbedingungen gelingt es Lehpersonen, mit den meisten Eltern ihrer Schülerinnen und Schüler eine gute Kooperationsbeziehung aufzubauen. Die Eltern schätzen die Arbeit der Lehrperson und beide ziehen an einem Strick. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Mit negativen Folgen für den Unterricht. Lern- und Disziplinprobleme entwickeln dann eine ungünstige Dynamik und sind kaum noch erfolgreich zu bewältigen. Deshalb profitiert jede Lehrperson von einer proaktiv ausgerichteten Elternarbeit, die auf eine gute Kooperation mit den Eltern setzt.
Ein neuer Gastbeitrag von Christoph Eichhorn.
Der 13-jährige Dario kam empört nach Hause. "Herr Peng erteilt die unmöglichsten Hausaufgaben. Auf morgen müssen wir das ganze Kapitel über Steinzeitwerkzeuge abschreiben." Das fand auch sein Vater keine gute Idee. "Was soll diese Abschreiberei?", dachte er sich. Zu seiner Frau sagte er: "Die unterrichten immer noch wie vor 20 Jahren." Intuitiv spürte Dario diese kritische Haltung seines Vaters. Mit diesem Rückhalt konnte er es sich leisten, Herrn Pengs Arbeitsaufträgen und Zurechtweisungen nur noch sehr widerwillig nachzukommen. Zu Hause streute er immer wieder negative Informationen über Herrn Peng, die seinen Vater dazu brachten, Darios Lehrer immer negativer zu sehen.
Tatsächlich verliefen die Dinge aber ganz anders. Dario musste den Text deshalb abschreiben, weil er einem Mitschüler einen Schlag in den Rücken versetzt hatte. Davon erzählte er zu Hause natürlich nichts. (Ob diese Strafe Sinn macht, bleibe in diesem Zusammenhang dahingestellt. Anm. der Red.)
Die Arbeit einer Lehrperson ist leichter, wenn die Eltern der Schülerinnen und Schüler hinter ihr stehen. Das sollte sie aber nicht voraussetzen. Denn ein Schüler kann zu Hause die Ereignisse aus der Schule vor allem dann einseitig darstellen, wenn dessen Eltern alles unhinterfragt glauben. Das verleitet ein Kind dazu, zu Hause über weitere negative Episoden seiner Lehrperson zu berichten. Damit bringt das Kind seine Eltern allmählich dazu, für es Partei zu ergreifen. Es spürt ihren Rückhalt, was die Position der Lehrperson vor allem dann schwächt, wenn sie Anforderungen in Bezug auf Lernen und Sozialverhalten stellt, die dem Kind lästig sind und denen es deshalb lieber ausweicht.
Was haben Sie als Lehrperson von einer guten Kooperation mit den Eltern?
Eltern verfügen, wegen ihrer besonderen Beziehung zu ihrem Kind, über einen erheblichen Einfluss darauf, wie sich ihr Kind in der Schule verhält. Ob es sich im Unterricht an die Regeln hält, ob es einen angemessenen Umgang mit seinen Mitschülerinnen und Mitschülern pflegt usw. All diese Dinge werden zu einem fundamentalen Teil durch das Elternhaus beeinflusst.
Eltern haben aber nicht nur einen grossen Einfluss darauf, wie sich ihr Kind in der Schule verhält, sondern auch auf dessen Lern- und Arbeitshaltung. Nach einer Studie von Markus Neuenschwander liegt der Einfluss von Lehrpersonen auf den Schulerfolg bei etwa 10-15% - derjenige der Eltern aber bei 30-50%. Neuenschwander folgert daraus: "Wenn Eltern eine positive Einstellung zur Schule haben, dann geben sie diese an ihr Kind weiter." Und umgekehrt. Dann wird die Arbeit für die Lehrperson schnell zur Schwerstarbeit, vor allem, wenn das Kind nicht nur schlecht lernt, sondern versucht, sein leistungsmässiges Ungenügen mit Verhaltensproblemen zu kompensieren. Und das kommt in fast allen Klassen vor.
Als Lehrperson optimieren Sie Ihren Einfluss auf den Schüler oder die Schülerin, wenn Ihre Beziehung zu seinen Eltern stimmt. Wenn Sie die Eltern Ihrer Schüler hinter sich haben, stehen Ihnen zahlreiche Optionen offen. Sie können jetzt entscheiden, mit den Eltern auch heikle Themen besprechen, wie z.B.:
- Wenn ein Kind nicht lernt: Was können die Beteiligten tun, damit es eine gute Lern- und Arbeitshaltung entwickelt?
- Wenn ein Kind durch Disziplinarprobleme auffällt: Was können die Beteiligten tun, damit es seine Sozialkompetenz verbessert?
- Und natürlich kann sich die Lehrperson auch dann viel einfacher mit den Eltern darüber austauschen, wenn ein Kind schüchtern oder ängstlich ist, wenn es das ganze Wochenende vor dem Computer verbracht hat oder wenn es sich schwer tut, in der Klasse Freunde zu finden usw.
Auf jeden Fall profitiert auch das Kind davon, wenn Lehrpersonen und Eltern an einem Strang ziehen.
Mit welchen Eltern ist eine gute Kooperation besonders wichtig?
Die Zusammenarbeit ist vor allem mit den Eltern besonders wichtig, mit denen am ehesten Missverständnisse und Konflikte drohen, vor allem bei Eltern,
- die der Schule skeptisch gegenüber stehen,
- deren Kind schlechte Noten schreibt,
- deren Kind in der Schule undiszipliniertes Verhalten zeigt,
- die bildungsfern sind,
- die sich in der Vergangenheit unkooperativ und kritisch gegenüber der Schule verhalten haben.
Allerdings braucht es gerade bei diesen Eltern kluges Vorgehen sowie einen längeren Atem, um einen guten Kontakt aufbauen zu können: Das lohnt sich aber, denn diese Schülerinnen und Schüler bilden meist die Hauptproblemgruppe in der Klasse und stellen für die Lehrperson die grösste Belastung dar.
Lesen Sie morgen im Perlen-Blog, wie Lehrpersonen zu einer guten Kooperation mit den Eltern kommen.
Diese interessanten Ausführungen zur Elternarbeit stellt uns Christoph Eichhorn zur Verfügung. Unser Gastautor arbeitet beim Schulpsychologischen Dienst Graubünden, wo er sich unter anderem seit vielen Jahren mit Lernen und Lern-Coaching befasst. Weitere Infos auf www.classroom-management.ch.
Literatur
- Eichhorn, C. (2012): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten.
Klett-Cotta. 7. Aufl. - Eichhorn, C. (2011): Bei schlechten Noten helfen gute Eltern. Klett-Cotta.
- Furman, B. Stufen der Verantwortung (A)
Bilder:
- Fotolia / Kudryashka